In Schwaben steht die juristische Aufarbeitung eines erschütternden Falls von Kindesmisshandlung kurz vor ihrem vorläufigen Abschluss. In Augsburg wartet nicht nur die Öffentlichkeit gespannt auf das Urteil: Der Prozess gegen einen Vater und seine Ehefrau, denen vorgeworfen wird, ihren sechsjährigen Sohn aus erster Ehe über Monate hinweg systematisch misshandelt zu haben, hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Im Mittelpunkt stehen schwerwiegende Anschuldigungen wegen körperlicher und seelischer Gewalt, Hunger, Isolation und Demütigung - ein Martyrium, das erst endete, als der Junge im Januar aus dem Elternhaus fliehen konnte. Die Anklage verlangt mehrjährige Haftstrafen für beide Angeklagten, während die Verteidigung auf Bewährung plädiert. Das Verfahren wirft nicht nur Fragen nach individueller Schuld und Strafe auf, sondern richtet auch den Fokus auf die Rolle der Behörden, die Mechanismen des Kinderschutzes und die langfristigen Auswirkungen solcher Taten auf die Opfer.

Der Fall nahm seinen Anfang mit einem eindringlichen Hilferuf: Im Winter 2023 wird ein sechsjähriger Junge von einer Passantin an einer Landstraße entdeckt - er ist abgemagert, verwahrlost und verängstigt. Es wird rasch deutlich: Das Kind hat sich vor seinen Eltern in Sicherheit gebracht. Die Ermittlungen bringen schockierende Details ans Licht. Der Anklage zufolge wurde der Junge im familiären Umfeld über einen Zeitraum von mehreren Monaten misshandelt, mit Kabelbindern gefesselt, in dunkle Kellerräume eingesperrt und regelmäßig seiner grundlegenden Bedürfnisse beraubt. Der Tod der leiblichen Mutter, den das Kind im Alter von vier Jahren erlebte, hatte das Familiensystem bereits destabilisiert. Für den Jungen scheint die neue Familiensituation sich zu einem Albtraum zu entwickeln.

Während des Verfahrens vor dem Amtsgericht Augsburg wurde eine Szene von Gleichgültigkeit, Machtmissbrauch und Überforderung sichtbar. Die Staatsanwaltschaft fordert für den Vater eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und für die Stiefmutter von dreieinhalb Jahren, während die Anwälte der Nebenklage noch strengere Strafen verlangen. Die Verteidigung betrachtet die Vorwürfe als übertrieben und hebt die schwierigen Lebensumstände der Angeklagten hervor. Die Angeklagten legen teilweise Geständnisse ab.

Abgesehen von der juristischen Dimension wirft der Fall elementare Fragen auf: Wie konnte es zu einem solchen Ausmaß kommen? Wurden im Jugendamt oder in der Nachbarschaft Fehler gemacht? Welche Auswirkungen haben solche Erfahrungen auf so junge Opfer? Auch der soziale Auftrag, Kinder vor Gewalt zu bewahren, wird in den Blick genommen. Das Urteil, das am Tag der letzten Verhandlung erwartet wird, ist mehr als eine individuelle Abrechnung - es dient als Prüfstein für den Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft. Die zeitliche Abfolge der Geschehnisse: Vom Ableben der Mutter zur Flucht des Kindes

Zu Beginn des Falls erleidet der Junge einen schweren Schicksalsschlag. Als er vier Jahre alt ist, stirbt seine leibliche Mutter. Übrig bleibt ein Kind, das den Verlust einer zentralen Bezugsperson nicht nur bewältigen muss, sondern sich auch in einem instabilen familiären Umfeld befindet. Der Vater geht wieder eine Ehe ein, die neue Frau des Vaters kommt in den gemeinsamen Haushalt. Für zahlreiche Kinder stellt eine derartige Situation eine Bewährungsprobe dar. Für den Jungen aus Schwaben aber wird sie, wie sich später herausstellt, zu einem Albtraum.

Nur wenig Zeit nach dem Einzug der neuen Partnerin verschlechterten sich die Lebensumstände des Jungen erheblich. Nachbarn berichten später von einem auffälligen Verhalten eines Jungen, der immer seltener draußen zu sehen ist, abgemagert wirkt und kaum Kontakt zu anderen Kindern hat. Rückblickend zeigt sich, dass es schon zu diesem Zeitpunkt Hinweise auf Misshandlung und Vernachlässigung gab. Es intervenieren jedoch weder Nachbarn noch Behörden - die Ursachen hierfür sind komplex und werden im Verlauf des Prozesses ebenfalls erörtert.

Im Laufe des Jahres 2022 eskaliert die Situation. Der Anklageschrift zufolge wird der Junge immer wieder Opfer von Gewalt. Die Übergriffe umfassen sowohl körperliche als auch seelische Aspekte. Der Junge wird mit Kabelbindern gefesselt und in den Heizungskeller oder andere verschlossene Räume eingesperrt. Die Weigerung, zu essen und zu trinken, wird zum Mittel der Disziplinierung. Die beiden Angeklagten, der Vater und seine neue Frau, begehen die Taten entweder gemeinsam oder einzeln. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse ist die Mutter des Kindes bereits tot, der Vater und seine neue Ehefrau haben das alleinige Sorgerecht.

Das Martyrium endet erst im Januar 2023. Der Junge kann in einem günstigen Moment aus dem Haus entkommen. Er läuft, völlig entkräftet und verwirrt, mehrere Kilometer bis zu einer Landstraße. Dort wird er von einer Zeugin bemerkt und angesprochen. Die Frau erkennt, dass das Kind in einer Notlage ist, und ruft sofort die Polizei. Die Ermittlungen schreiten voran, der Junge wird dem Jugendamt überstellt und in einer Kinderwohngruppe platziert. Nur wenige Stunden später werden die Eltern festgenommen. Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen, nicht zuletzt, weil er Fragen zur Verantwortung aller Beteiligten aufwirft.

1. Die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft und die Beweislegung

Der Prozess vor dem Amtsgericht Augsburg dreht sich um gravierende Beschuldigungen: Dem Vater und der Stiefmutter des Jungen wirft die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Misshandlung von Schutzbefohlenen vor. Eine Vielzahl konkreter Taten, die sich über mehrere Monate erstrecken, wird in der Anklageschrift aufgelistet. Ein wesentlicher Vorwurf ist, dass der Junge über längere Zeiträume hinweg wiederholt mit Kabelbindern gefesselt und in fensterlosen Kellerräumen eingesperrt wurde. Systematische Entzüge von Nahrung und Flüssigkeit, die dem Kind physische und psychische Schäden zugefügt haben, kommen noch hinzu.

Die Argumentation basiert auf unterschiedlichen Pfeilern. Einerseits sind es die Äußerungen des Kindes, das in mehreren altersgerechten Befragungen von seinen Erfahrungen berichtete. Um sicherzustellen, dass die Aussagen belastbar sind, werden diese Vernehmungen von Sozialpädagogen und Psychologen begleitet. Im Verlauf des Verfahrens wird die Glaubwürdigkeit des Jungen mehrfach betont: Er schildert die Dinge detailliert und konsistent, und medizinische Untersuchungen stützen seine Aussagen. Die behandelnden Mediziner nehmen wahr, dass das Kind zum Zeitpunkt der Flucht eindeutige Anzeichen von Unterernährung, Dehydrierung und Verletzungen zeigt, die mit den geschilderten Misshandlungen übereinstimmen.

Des Weiteren werden Experten hinzugezogen, um eine Einschätzung des psychischen und physischen Zustands des Jungen vorzunehmen. Sie bekräftigen, dass die aufgezeichneten Verletzungen nicht durch gewöhnliche Unfälle oder kindliches Spielverhalten erklärbar sind. Es geht vielmehr um absichtliche Gewalteinwirkung vonseiten Erwachsener. Zeugenaussagen von Nachbarn, Bekannten und Erziehern aus dem Familienumfeld bieten weitere Hinweise. Sie berichten über ein Kind, das sich zunehmend zurückzieht, ängstlich wirkt und auffällige Verhaltensweisen zeigt.

Die Eltern werden von der Anklage nicht nur aktives Handeln, sondern auch Unterlassen vorgeworfen. Sie hätten es demnach nicht für nötig befunden, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, als der Junge offensichtlich geschwächt war. Auch die seelische Misshandlung, wie fortwährende Herabwürdigungen, Absonderung und Drohungen, fällt unter den Vorwurf der Straftat. Hierbei stützt sich die Staatsanwaltschaft auf die relevanten Paragraphen des Strafgesetzbuchs, die bei Misshandlung von Schutzbefohlenen besonders strenge Maßstäbe vorsehen. Die Beweisaufnahme im Prozess hat ein eindeutiges Bild gezeichnet: Die Misshandlungen stellten kein einmaliges Fehlverhalten dar, sondern waren Teil eines über Monate andauernden Gewalt systems.

2. Die Strategie der Verteidigung und die Äußerungen der Beschuldigten

Im Prozess bemüht sich die Verteidigung der zwei Angeklagten um eine Relativierung der Vorwürfe und eine Verringerung der Verantwortung. Die Rechtsvertreter des Vaters und der Stiefmutter führen an, dass die Belastungen der vergangenen Jahre – vor allem der Tod der leiblichen Mutter, finanzielle Probleme und Überforderung durch die neue Familiensituation – zu Fehlern geführt hätten, diese aber nicht das Ausmaß der von der Anklage behaupteten Misshandlungen erreichten. Sie reden von Erziehungsfehlern statt von gezielter Gewaltanwendung und sprechen sich für Bewährungsstrafen aus.

Im Verlauf des Verfahrens äußern sich die Angeklagten nur zurückhaltend. Sie gestehen Fehlverhalten ein, bestreiten jedoch die systematische Misshandlung. Der Vater erklärt, dass es für ihn nach dem Tod seiner ersten Frau sehr schwierig gewesen sei, sein Leben mit seinem Sohn und seiner neuen Partnerin zu bewältigen. Er erwähnt, dass er sich überfordert und angesichts der Schwierigkeiten, die der Junge angeblich verursacht hat, hilflos fühlt. Die neue Gattin des Vaters äußert, dass sie sich in der Rolle als Stiefmutter nie richtig zurechtgefunden habe. Sie weist den Vorwurf zurück, dass sie dem Jungen absichtlich schaden wollte.

Im Rahmen des Kreuzverhörs werden den Angeklagten die Aussagen des Jungen sowie die medizinischen Gutachten vorgehalten. Sie gestehen teilweise ein, was sie getan haben, da die Beweislast auf ihnen lastet. Sie räumen ein, das Kind mehrfach eingesperrt und ihm Essen vorenthalten zu haben, bestreiten jedoch die Behauptung, dies sei regelmäßig oder in dem angegebenen Ausmaß geschehen. Die Verteidigung bemüht sich, die Glaubwürdigkeit der kindlichen Zeugenaussage anzufechten. Sie verweist dabei auf potenzielle Suggestionen, die durch die Befragung hervorgerufen werden könnten, sowie auf die belastende Situation des Kindes.

Die Strategie der Verteidigung bleibt jedoch ambivalent. Einerseits bitten die Angeklagten um Verständnis für ihre schwierige Lage, andererseits lehnen sie die schwerwiegendsten Vorwürfe ab. Die Verteidiger führen die Forderung nach Bewährung mit der bisherigen Unbescholtenheit der Angeklagten und ihrer sechsmonatigen Untersuchungshaft an. Die Kammer sieht sich jedoch auch mit der Bewertung der Nebenklage konfrontiert, die auf die besonderen Schutzbedürfnisse des Kindes und die Schwere der Tat verweist.

3. Die Funktion des Jugendamts und potenzielle Nachlässigkeiten der Behörden

Die Rolle der Behörden, insbesondere des Jugendamts, ist ein zentrales Thema im öffentlichen Diskurs über den Fall. Beobachter fragen sich immer wieder, ob das Martyrium des Jungen hätte verhindert werden können. Im Verlauf des Verfahrens wird deutlich, dass das Jugendamt nach dem Ableben der Mutter zwar mit der Familie in Kontakt trat, jedoch keine schwerwiegenden Auffälligkeiten bemerkte. Die neue Familiensituation wurde als herausfordernd, jedoch nicht als akut gefährdend angesehen. Es gab keine regelmäßigen Hausbesuche oder engmaschigen Kontrollen.

Nachbarn äußern rückblickend, dass ihnen zwar Verhaltensänderungen beim Jungen aufgefallen seien, sie aber unsicher waren, wie sie diese bewerten sollten. Das Jugendamt wurde in mehreren Fällen von Dritten auf die Situation hingewiesen. Die Behörde reagierte jedoch zurückhaltend. Es scheint, dass die Erklärungen der Eltern, die von Trauer, Eingewöhnungsschwierigkeiten und familiären Problemen sprachen, zur Beruhigung beitrugen. Es wurde nicht die Schwelle überschritten, die ein aktives Eingreifen wie eine Inobhutnahme oder engmaschige Kontrollen gerechtfertigt hätte.

Im Nachgang des Falls wird die behördliche Praxis einer kritischen Prüfung unterzogen. Fachleute machen auf Folgendes aufmerksam: Fälle wie diese offenbaren immer wieder eine systemische Schwäche. Das Jugendamt hat oft zu viel zu tun, die Anzahl der von ihm betreuten Familien ist hoch, aber die verfügbaren Ressourcen sind begrenzt. Es mangelt oft an speziell ausgebildetem Personal, das in der Lage ist, Anzeichen von Misshandlung zuverlässig zu erkennen und zu bewerten. Des Weiteren ist die Schwelle für Eingriffe ins Elternrecht hoch. Dies führt im Spannungsfeld zwischen Kindeswohl und Elternautonomie immer wieder zu Fehlentscheidungen.

Im konkreten Fall wird deutlich, dass die Signale aus dem Umfeld des Kindes nicht mit Konsequenz verfolgt wurden. Im Zuge des Prozesses untersucht die Justiz ebenfalls, ob die Behörden Versäumnisse begangen haben, die möglicherweise zu einer Mitschuld am Leid des Jungen beigetragen haben könnten. Das Strafverfahren konzentriert sich bislang aber nur auf das Verhalten der Eltern. Die öffentliche Diskussion verlangt jedoch eine gründlichere Auseinandersetzung - nicht zuletzt, um vergleichbare Fälle in der Zukunft zu vermeiden.

4. Die Folgen der Misshandlung für das Kind

Die medizinischen und psychologischen Untersuchungen des Jungen nach seiner Flucht bieten einen eindrucksvollen Einblick in die Folgen der monatelangen Misshandlung. Das Kind weist körperlich erkennbare Folgen von Unterernährung, Dehydrierung und mehrfachen Verletzungen auf. Hämatome, Abschürfungen und Druckstellen, die mit dem Einsatz von Kabelbindern und dem Einsperren in enge Räume in Verbindung gebracht werden können, werden von den behandelnden Ärzten dokumentiert. Das Kind leidet zudem unter Schlafstörungen, Angstzuständen und einem gestörten Essverhalten – Symptome, die bei Opfern langanhaltender Gewalt häufig vorkommen.

Die psychischen Konsequenzen sind ebenfalls erheblich. Psychologen erzählen von einem Kind, das es schwerfällt, Erwachsenen zu vertrauen. Der Junge zeigt in den ersten Wochen nach seiner Unterbringung in der Kinderwohngruppe eine ausgeprägte Angst vor Autoritätspersonen, insbesondere Männern. Er ist ängstlich, zieht sich zurück und redet nur widerwillig über das, was er erlebt hat. Es gelingt den Betreuern erst allmählich, einen Zugang zu ihm zu finden. Der Junge hebt in seinen Äußerungen vor den Ermittlungsbehörden immer wieder hervor, dass er seinen Vater „nie wieder sehen“ wolle – dies stellt einen klaren Hinweis auf die tiefgreifende Verletzung des kindlichen Vertrauens dar.

Solche Erfahrungen sind auf lange Sicht schwer zu verarbeiten. Experten für Traumatherapie nehmen an, dass der Junge eine intensive Unterstützung brauchen wird, um mit den Erlebnissen umzugehen. Gewalterfahrungen, Isolation und der Entzug grundlegender Bedürfnisse hinterlassen nicht nur psychische Narben, sondern wirken sich auch negativ auf die Entwicklung von Selbstwertgefühl und sozialer Kompetenz aus. In vielen Fällen entwickeln Kinder, die in ihrer frühen Kindheit misshandelt wurden, im späteren Leben psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen.

Die erfahrene Anwältin, die den Jungen im Verfahren als Nebenklagevertreterin vertritt, hebt diese langfristigen Risiken hervor. Sie verlangt daher nicht nur eine angemessene Bestrafung der Täter, sondern auch einen umfassenden Schutz der Opfer. Es umfasst therapeutische Maßnahmen, eine stabile Unterbringung sowie die Gewährleistung, dass das Kind keinen weiteren Kontakt zu den Beschuldigten haben muss. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung einer langfristigen Begleitung und Unterstützung für Menschen, die von Kindesmisshandlung betroffen sind, selbst nach der Phase akuter Gefährdung.

5. Die Reaktion der Gesellschaft und der Medien auf den Fall

Der Prozess in Augsburg hat bundesweit für Furore gesorgt und eine umfassende gesellschaftliche Debatte über Kindesmisshandlung, Opferschutz und die Rolle staatlicher Institutionen angestoßen. Ausführlich berichten die Medien über den Verlauf des Verfahrens, die erschütternden Details der Anklage und die Reaktionen der Beteiligten. Die Öffentlichkeit ist schockiert über das Maß an Gewalt, die ein Kind im familiären Umfeld erleiden musste. In Foren, sozialen Medien und Leserbriefen werden Fragen zur Mitverantwortung von Nachbarn, Freunden und Behörden geäußert.

Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Immer wieder kommen Fälle ans Licht, in denen Kinder aus ihrem familiären Umfeld misshandelt, vernachlässigt oder sogar getötet werden. Fachleute verwenden den Begriff „Dunkelziffer“, die weitaus höher ist als die Zahl der offiziell gemeldeten Fälle. Die Berichterstattung über das Verfahren in Augsburg richtet den Fokus auf ein strukturelles Problem: den mangelnden Schutz von Kindern vor Gewalt und die Herausforderungen bei der frühzeitigen Erkennung von Missbrauch im familiären Umfeld.

Die politische Konsequenzen der medialen Aufmerksamkeit sind ebenfalls spürbar. Verschiedene Parteien und Organisationen, die sich für den Schutz von Kindern einsetzen, verlangen nach strengeren Kontrollen, einer verbesserten Ausstattung der Jugendämter sowie nach verbindlichen Richtlinien für die Überprüfung von Familien in Krisensituationen. Auch wird erörtert, ob eine intensivere Sensibilisierung und Schulung von Erziehern, Lehrkräften und Nachbarn sinnvoll wäre, damit diese Warnsignale schneller wahrnehmen und melden. Der Fall wird genutzt, um die bestehenden Strukturen des Kinderschutzes zu überprüfen.

Zur selben Zeit fordern Fachleute eine sorgfältige Analyse. Nicht jede schwierige Familiensituation bedeutet automatisch Misshandlung, und nicht jedes auffällige Kind ist ein Opfer von Gewalt. Fälle wie der in Augsburg verdeutlichen jedoch, dass das Risiko häufig nicht richtig eingeschätzt wird und Unterstützungssysteme zu spät oder nicht mit ausreichender Entschlossenheit handeln. Die durch den Prozess initiierte gesellschaftliche Debatte ist somit von erheblicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes in Deutschland.

6. Juristische Beurteilung und Forderungen zum Strafmaß

Die rechtliche Beurteilung des Falls ist kompliziert und zieht das öffentliche Interesse auf sich. Die Anklage basiert auf mehreren strafrechtlichen Bestimmungen, darunter § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen), § 223 StGB (Körperverletzung) und § 239 StGB (Freiheitsberaubung). Besonders gravierend ist, dass die Taten an einem schutzbedürftigen, minderjährigen Kind im eigenen Haushalt begangen wurden. In solchen Fällen sieht das deutsche Strafrecht hohe Strafen vor: In besonders schweren Fällen kann die Misshandlung von Schutzbefohlenen mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

Die Staatsanwälte fordern im Prozess eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten für den leiblichen Vater sowie dreieinhalb Jahre für die Stiefmutter. Die Nebenklage, die durch den Anwalt des Jungen vertreten wird, betrachtet diese Forderungen als unzureichend und fordert vier Jahre Haft für den Vater sowie drei Jahre und vier Monate für die Stiefmutter. Die Argumentation: Die wiederholte, systematische Misshandlung und die gravierenden Konsequenzen für das Kind würden ein besonders strenges Urteil rechtfertigen.

Im Gegensatz dazu spricht sich die Verteidigung für Bewährungsstrafen aus. Sie hebt die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, ihre schwierigen Lebensumstände und die Tatsache hervor, dass beide Angeklagten mittlerweile ein halbes Jahr in Untersuchungshaft verbracht haben. Ferner heben die Verteidiger hervor, dass die Angeklagten zum Teil ein Geständnis abgelegt und Reue bekundet hätten.

Das Gericht muss eine schwierige Entscheidung treffen. Es muss das Maß der Schuld beurteilen, die Vertrauenswürdigkeit der Äußerungen prüfen und die langfristigen Auswirkungen auf das Opfer in Betracht ziehen. Zudem muss die rechtliche Verhältnismäßigkeit gewahrt und die persönlichen Gegebenheiten der Angeklagten berücksichtigt werden. Der Termin für die Urteilsverkündung wird mit großer Spannung herbeigesehnt – dies gilt nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern auch für die Öffentlichkeit, die sich ein klares Zeichen im Kampf gegen Kindesmisshandlung wünscht.

7. Prävention, Schutz der Opfer und Lehren aus dem Prozess

Der Fall aus Augsburg beleuchtet die Schwierigkeiten und Mängel im Bereich der Prävention und des Opferschutzes bei Kindesmisshandlung. Seit geraumer Zeit setzen sich Fachleute und Organisationen im Bereich Kinderschutz für eine effektivere Vernetzung der unterschiedlichen Beteiligten – wie Jugendamt, Schule, Nachbarschaft und medizinische Versorgung – ein, um gefährdete Kinder schneller zu erkennen und besser zu schützen. Die Erfahrungen aus dem laufenden Verfahren legen offen, dass Warnsignale oft verspätet oder überhaupt nicht wahrgenommen werden und dass die Schwelle für drastische Maßnahmen hoch ist.

Ein wesentlicher Ansatz besteht darin, Fachkräfte und Nichtfachleute rechtzeitig für Indizien einer Gefährdung des Kindeswohls zu sensibilisieren. Oft sind es zunächst unauffällige Verhaltensänderungen bei einem Kind, die auf Misshandlung hinweisen können - wie Rückzug, Angst oder körperliche Vernachlässigung. Bei der Früherkennung sind Schulen, Kitas und Ärzte entscheidend, jedoch brauchen sie dafür eindeutige Handlungsanweisungen und Weiterbildungen. Die Kooperation mit dem Jugendamt sollte reibungsloser und vertrauensvoller gestaltet werden.

Fachleute fordern im Bereich des Opferschutzes, dass Therapie- und Unterstützungsangebote für betroffene Kinder erweitert werden. Um den Opfern eine Chance auf eine stabile Entwicklung zu bieten, sind traumatherapeutische Angebote, geschützte Unterbringung und langfristige Begleitung notwendig. Allerdings hängt der Zugang zu solchen Hilfen oft von regionalen Gegebenheiten, finanziellen Ressourcen und bürokratischen Hürden ab.

Deshalb gibt es viele Lehren, die aus dem Verfahren in Augsburg gezogen werden können. Es bedarf einer verbesserten Ausstattung der Behörden, einer intensiveren Vernetzung der Beteiligten sowie einer gesellschaftlichen Kultur, die Kinderrechte ernsthaft achtet und Zivilcourage unterstützt. Der gegenwärtige Fall verdeutlicht, dass Kindesmisshandlung kein Randphänomen darstellt, sondern eine Herausforderung ist, der sich Staat und Gesellschaft gemeinsam annehmen müssen. Dies ist die einzige Möglichkeit, um einen wirksamen Schutz für die Schwächsten zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass sich der Fall in Augsburg nicht wiederholt.